Naturbeobachtungen
Von Hummeln, Schmarotzerhummeln und Hummelschwebern
Die blühenden Obstbäume am Rande der Rüterberger Tongrube werden an warmen Frühlingstagen von Heerscharen von Insekten umsummt. Überwiegend sind es solitär lebende Wildbienen, aber auch Hummeln, Schmetterlinge, Fliegen, selbst Ameisen vereint das lockende Nahrungsangebot. Dieses auf den ersten Blick so friedliche Miteinander der Insekten täuscht. Wenn es um die Fortpflanzung geht, haben einige dieser Blütenbesucher verschiedene Strategien entwickelt, um die eigene Nachkommenschaft auf Kosten anderer Arten zu versorgen.
Nehmen wir zum Beispiel die Steinhummel (Bombus lapidarius). Ihr Körper ist schwarz, das Hinterleibsende rot gefärbt. Die überwinternden Königinnen müssen im Frühjahr die Grundlage für einen neuen Hummelstaat legen. Sie ernähren sich von Nektar und sammeln Blütenstaub , den sie in den „ Körbchen“ an den Hinterbeinen als Nahrung für die Brut in das Hummelnest eingeträgt.
Machmal lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Unter den Blütenbesuchern befindet man nämlich eine ganz ähnlich gefärbte Hummel. Aber ihre Flügel sind schwärzlich und die „Körbchen“ an den Hinterbeinen fehlen. Die braucht sie auch nicht, denn es handelt sich um eine Schmarotzerhummel die Felsenkuckuckshummel (Bombus rupestris). Dank ihrer Tarnfärbung kann sie unerkannt in das fremde Nest der Steinhummel eindringen. Dort legt sie ihre eigenen Eier ab, die schlüpfenden Larven fressen Pollen und die Brut der Wirtshummel. Nun werden sie an Stelle der Steinhummelnlarven gefüttert. Kein Einzelfall - es gibt in Deutschland 36 Hummelarten und 6 Schmarotzerhummelarten, die in der Färbung ihren Wirtshummeln ähneln.
Eine besonders raffinierte Methode hat ein anderer Blütenbesucher, der große Wollschweber (Bombylius major) entwickelt. Es ist faszinierend zu beobachten, wie diese ca. 1cm große, hummelähnlich behaarte Fliege ähnlich wie ein Kolibri in der Luft auf einer Stelle schwebend mit seinem langen Saugrüssel Nektar aus den Blüten saugt. Diese Flugkünste nutzt der Wollschweber auch, um seine Eier an den Eingängen von Erdröhren , die Erdbienen in den sandigen Trockenrasen gegraben haben, gezielt zu platzieren. Die aus den Eiern schlüpfenden Larven wandern in die Brutröhren der Bienen ein, ernähren sich erst von dem eingetragenen Blütenstaub, später von den Bienenlarven.
Brutparasitismus ist im Insektenreich verbreitet. Allerdings gelingt es in einer intakten Natur Brutparasiten kaum, ihre Wirtsart auszurotten. Viel gefährlicher wird ihnen der Mensch durch Insektizide oder Zerstörung ihrer Lebensräume.
Brigitte Königstedt, Frühjahr 2019
Der Spinner ist eine Glucke...
Bei der Herbstmahd der Trockenrasenfläche unseres Fördervereins in Rüterberg Ende September 2017 versuchten viele große braune, stark behaarte Raupen schnellstmöglich aus der Gefahrenzone zu flüchten. Um ihnen die Suche nach einem neuen Unterschlupf zu erleichtern, wurden einige Stellen als „Rettungsinseln“ nicht gemäht und die Raupen dorthin verfrachtet.
Was waren das für Raupen und wo kamen sie her? Schließlich kam man überein, dass es überwiegend die Raupen des Brombeerspinners, eines großen, gelbbraunen Schmetterlings waren, den man, anders als dessen Raupen, selten zu Gesicht bekommt. In des Systematik gehört er zu den Glucken. Seltener fanden wir weitere, ähnlich stark behaarte Raupen, die wir dem Braunen Bären und dem Zimtbären zuordnen konnten. Diese „Bären“ sind Nachtschmetterlinge, die zu den Eulen gezählt werden.
Was manchem wohl etwas merkwürdig anmuten mag – Glucken und Eulen sind die deutschen Familiennamen dieser Schmetterlingsarten. Sie kommen auf extensiv genutzten Grasflächen, Trockenrasen, Waldsäumen und Gebüschen vor und fliegen meist in der Dämmerung und nachts.
Die Raupen halten sich tagsüber am Boden auf und klettern nachts an Stängeln und Blättern empor, um zu fressen. Wenn es Herbst wird, bauen sie sich eine Gespinströhre am Boden, um dort zu überwintern. Das gelingt ihnen meist nur auf extensiv gepflegten Flächen, wo sie ungestört ihren Lebenszyklus vollenden zu können.
Die Fläche unseres Fördervereins ist ein kleines Rückzugsgebiet für solche Arten, die in der intensiv genutzten Landschaft nur geringe Chancen haben. Davon profitieren neben einer Reihe von Pflanzenarten viele Tiere - zum Beispiel Glucken und Eulen.
Brigitte Königstedt, Herbst 2018
Schneeglöckchen
Am Rande der Rüterberger Tongrube blühen jetzt Tausende von Schneeglöckchen – für viele Menschen der Inbegriff des frühen Frühlings und des Endes des Winters.
Sie können Frost und Schnee trotzen und blühen auch bei Rückfällen in den Winter einfach weiter. Das macht sie so sympathisch.
Das Kleine Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) ist in weiten Teilen Europas heimisch und liebt frische bis feuchte Laubwälder, in Deutschland in den Mittelgebirgen bis hin zum Alpenvorland aber nicht im norddeutschen Flachland.
Hier wurde es durch die Verwendung als Gartenpflanze verbreitet und durch Gartenabfälle in die Umgebung gebracht. Dort hat es sich an zusagenden Standorten vermehrt und bildet, wie hier, oft eindrucksvolle Bestände. Ähnliches gibt es auch z.B. bei Krokussen (Husumer Schlosspark) oder Blausternchen (Lindener Berg in Hannover).
Das Kleine Schneeglöckchen vermehrt sich auf zweierlei Weise:
Vegetativ durch die Bildung von Tochterzwiebeln sowie generativ durch Aussaat.
Bei dieser zweiten Weise der Ausbreitung bedient sich das Schneeglöckchen einer besonderen „List“. Die Samenkörnchen sind mit einem kleinen Anhängsel versehen, dem Elaiosom, das sehr nahrhaft ist und Fette und Zucker, aber auch Eiweiß und Vitamine enthält. Das ist ein Angebot an Waldameisen, die die Saatkörner in ihren Bau schleppen, das Elaiosom abtrennen und danach die für sie dann uninteressanten Körner wieder wegschaffen. Vielleicht verlieren sie aber auch schon vorher einiges. Auf diese Art kann sich ein Schneeglöckchen gut in der Fläche verbreiten. Den Beständen kann man das auch ansehen, wie die Pflanzen locker verstreut stehen und zu den Rändern weniger werden.
Es gibt noch weitere Waldpflanzen, die Ameisen in dieser Art als Transporter nutzen, z.B. Wald- und Märzveilchen und der Lerchensporn.
Eine sehr alte Gartenpflanze ist das Gefüllte Schneeglöckchen (Galanthus nivalis „Flore Pleno“). Bei ihr sind die Blütenblätter enorm vermehrt; das ging auf Kosten der Fruchtbarkeit – sie sind steril und bilden keine Samen aus. Da sie sich nur durch Tochterzwiebeln vermehren können, stehen sie immer in dichten Trupps zusammen. Eine weitere Verbreitung kann nur zufällig durch mechanische Eingriffe, z.B. durch scharrende Amseln geschehen.
Übrigens duften diese beiden Formen des Schneeglöckchens intensiv nach Honig, besonders wenn sie in die Wärme der Wohnung kommen.
Zwei Dinge möchte ich noch erwähnen: Es gibt noch weitere Schneeglöckchenarten, die für den Garten interessant sind wie z.B. das Große Schneeglöckchen (Galanthus elwesii), das größer und breitblättriger ist und etwas früher blüht.
Und erwähnenswert die Galanthophilie, die Liebe zu den Schneeglöckchen, die ansonsten ganz normale Menschen dazu bringt, besondere Formen und Sorten zu sammeln und zu jagen, auf Sammlertreffen zu tauschen oder zu stolzen Preisen zu ersteigern – und das nicht etwa nur in England.
17. März 2017 Rüdiger Weddige
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Klein, grün und stimmgewaltig – der Europäische Laubfrosch (Hyla a. arborea)
Mit den ersten warmen Frühlingstagen erwacht das Leben in der Natur. Rund um die Rüterberger Tongrube balzen Bunt- und Grünspechte, hört man den Gesang von Heckenbraunelle und Zaunkönig und den Schlag der Meisen. Die ersten Hummeln und Wildbienen sind bereits auf Blütensuche und mit etwas Glück kann man jetzt schon einen Laubfrosch entdecken, der sein Versteck verlassen hat, um, reglos auf einem Blatt sitzend, die Sonnenwärme, zu tanken.
Im Mai/Juni wandern sie zu ihren Laichgewässern. An der Elbe sind es oft flache, besonnte uns pflanzenreiche Tümpel und überschwemmte Wiesen. Das vielstimmige Äpp-äpp-äpp-äpp der rufenden Männchen kann eine Lautstärke bis zu 85 Dezibel – fast so laut wie ein Presslufthammer- erreichen. Mit ausgestülptem Kehlsack, der als Schallverstärker dient, versuchen sich die Männchen nun an Lautstärke zu überbieten. Erst nach Mitternacht kehrt Ruhe ein. Haben sich die Paare gefunden, werden die walnussgroßen Laichballen an den Wasserpflanzen abgesetzt. Bis zu 1200 Eier kann ein Weibchen produzieren. Die Entwicklung der Kaulquappen bis zum Jungfrosch dauert – je nach Wassertemperatur- etwa zwei Monate.
Nach der Eiablage kehren die wanderfreudigen Laubfrösche nun zu ihren Sommerlebensräumen zurück. So kommt es, dass man dann gelegentlich Laubfrösche im Brombeer- oder Himbeerbusch, im Weinspalier oder Apfelbaum findet.
Mitunter kann man auch im Herbst Laubfroschrufe hören. Die schönen Tage des Altweibersommers und warmer Regen sind wohl Anreiz genug für die Männchen, sich noch einmal lautstark zu Wort zu melden. Möglicherweise regen Licht, Tageslänge und Temperatur ähnlich wie im Frühjahr noch einmal die Hormonproduktion an – oder das Rufen ist einfach ein Ausdruck der Lebensfreude.
Brigitte Königstedt
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